Canta'Tronic

(2006)

cantatronic_cover4401990 gründete TILO WOLFF die Band LACRIMOSA, die inzwischen zu den weltweit erfolgreichsten und respektiertesten Acts der alternativen Musikszene zählt! 2004 gründete er SNAKESKIN.
Aber warum?

Auf seiner Webseite schreibt er dazu: „Ursprung und Mittelpunkt LACRIMOSAs ist, dass jeder Komposition eine Lyrik zugrunde liegt. Diese Herangehensweise war damals genau das Richtige, und daran hat sich bis heute nichts geändert! Und damit sich daran auch in Zukunft nichts ändern wird, musste ich für Kompositionen, die nicht Folge der aus dem Wort gereiften Inspiration sind, sondern losgelöst von diesem, eigene Geschichten und Bilder erzählen und malen, einen neuen Rahmen schaffen. So wurde SNAKESKIN geboren. Diese zweite Haut. Diese stellt nun eine andere Oberfläche dar, so wie SNAKESKINs musikalische Oberfläche – Arrangement und Produktion – sich von jener LACRIMOSAs unterscheidet. Unter dieser Oberfläche, unter dieser Haut, schlägt jedoch das gleiche Herz.“

Und tatsächlich, eine Verwandtschaft zu LACRIMOSA ist auf dem zweiten SNAKESKIN Album, mit dem interessanten wie auch konzeptionellen Titel „Canta’Tronic“, nicht zu leugnen und doch klingt es derart anders, dass es kaum zu der Albengeschichte LACRIMOSAs passen würde. Im Zentrum steht das Konzept, das bereits der Titel benennt: gesungene Elektronik. Bereits auf dem Debüt stand der stark entfremdete Gesang, das schreien und kreischen, das zuweilen an die Schreie wilder Tiere erinnerte, im Vordergrund. Hier geht Wolff noch einen Schritt weiter: er zeichnet mit seiner nahezu unverfremdeten und emotionalen Stimme teils sehr bewegende, teils überraschend eingängige Melodiebögen, die sich über die hauptsächlich rhythmischen Kompositionen schwingen und somit eine immense Spannung erzeugen. Damit aber nicht genug, denn diese Spannung findet ihre Perfektion in der Verbindung harter Elektrobeats mit der unaussprechlich vielseitigen Stimme von KERSTIN DOELLE, der grossen Opernsängerin, die bereits bei den Konzerten anlässlich der EU-Erweiterung 2004 als Vertreterin Deutschlands begeistern konnte. Hier prallen Welten aufeinander und eine neue Musik entsteht: Canta’Tronic!

Andreas Wengler


Über die Historie der Cantadoras und Cantadoros

Würde man einen Cantadoro fragen, wann eigentlich alles begann, erhielte man zur Antwort: „Irgendwann vor einer Ewigkeit… aber Orpheus war einer von uns und Miriam aus der Bibel. Ach ja, der heilige Franziskus auch – hat er nicht diesen wunderbaren Sonnengesang komponiert?“ Fadosänger und auch die Barden der Druiden zählen dazu. Wer ist ein Cantadoro? Soviel steht fest, es ist nicht erlernbar, wenn nicht dieses gewisse Feuer in der Stimme, der Seele ist. Die Spanier drücken es folgendermaßen aus: ein Cantadoro ist jemand der sein eigenes Herz zerrissen, blutend in der Hand hält und über diesen Schmerz hinaus weiterlebt, um ihn singend lebbar zu machen. Er singt für die Liebe und verkörpert sie zugleich. Tiefe Spiritualität, der Glaube an die Bestimmung zu singen sind Teil von ihm. Ein Cantadoro steht für die Kraft und hohe Intuition. Der „Canto el hondo“ – „der Gesang des Wolfes“ ist Sinnbild dafür.

Kerstin Doelle